In den gängigen Definitionen zum Begriff des Handels, taucht immer wieder der Satz auf, das Händler Spezialisten für den Beschaffungs- und Absatzmarkt sind. Dieses Prinzip hat sich trotz Online-Boom und verändertem Kaufverhalten nicht gerändert. Im Gegenteil – die Möglichkeiten, dieses Spezialwissen zielgerichteter und genauer, für das sogenannte Category-Management einzusetzen, wurde sogar deutlich leichter.
Allumfassende Analyse-Mechanismen, Forecast, Vorab-Test-Kataloge (und Sortimente), CRM-Lösungen und hocheffiziente ERP-Systeme sind nur einige der Beispiele, wie fein inzwischen auf Nachfrage und Angebot reagiert werden kann. Und doch scheint es, dass die Händler das Handeln verlernt haben.
Wir sind es gewohnt – als Händler -, dass wir die Renner und Penner kennen und entsprechende Maßnahmen treffen. Renner kommen nach vorne (Filiale, Online-Shop, etc.), werden schnell und ausreichend nachbestellt und auch in das nächste Werbemittel übernommen. Zumeist in weiteren Farben oder neuen Varianten.
Penner, sobald identifiziert, werden schnell (meist mit hohen Rabatten) abverkauft, und nach Möglichkeit nicht wieder nachbestellt.
Category-Management, mehr als nur „Renner“ und „Penner“
Soweit, so gut. Aber welcher Händler beschäftigt sich denn genauso intensiv mit den Artikeln „dazwischen“?
Die Artikel, die zu Rennern werden könnten. Und natürlich auch die Artikel, die „nicht Fisch nicht Fleisch“ sind? Was ist mit diesen Artikeln? Warum kümmern wir uns nicht um sie? Aus der Arbeit mit jener Ware, ergeben sich meist ungeahnte Potentiale, die zu Umsatz werden könnten.
Wer einen Online-Shop hat, ist hier klar im Vorteil. Dieser Händler kann durch relativ einfache Analyse-Tätigkeiten, schnell Kandidaten aus seinen Warengruppen herausfiltern, für die sich diese Art von Artikel-Optimierung, lohnen würde.
Da wären zum einen die Artikel, die zu Rennern werden könnten. Woher ich das weiß? Nun, sie haben in der Regel hohe Klickzahlen, aber nur wenig Abverkäufe. Auch „HYPE/NO SALE“ genannt. Und herauszufinden, warum sie angeklickt und dennoch nicht gekauft werden, ist nun die Aufgabe des Händlers. Was genau stimmt mit diesen Artikeln nicht?
„Es scheint ja die Kunden nicht zu interessieren“, ist oft eine Antwort. Aber wenn so ein Artikel hunderte, ja tausende Klicks pro Woche, aber eben nur wenig Abverkäufe generiert, kann er nicht per se uninteressant sein. Erst beim genaueren Hinsehen fallen dann Dinge auf, die man beim bloßen Einstellen der Ware vorher nicht bemerkt hat.
Retail ist Detail
Es können wichtige Details sein, die nicht auf einem Foto gezeigt werden. Beispielsweise Schuhsohlen, die nicht fotografiert wurden. Oder aber Handtaschen, bei denen eben nur die äußere Hülle, aber nicht, der mindestens genau so relevante, Innenbereich eine Abbildung bekommen hat.
Oder auch Begriffe, die vielleicht sachlich-technisch richtig sind, aber die Kunden dennoch, bei diesen Begriffen Verständnisprobleme haben. Warum muss zum Beispiel bei einem deutschen Artikel „Cotton“ anstelle von „Baumwolle“ verwendet werden. Und wer kam auf die ziemlich verwegene Idee, einen Gummistiefel als „Regenstiefel“ zu titulieren? Oder sind es bestimmte Eigenschaften, die einen Artikel zwar zuerst (oberflächlich) interessant machen, sich dann aber als „unkaufbar“ erweisen? – Falsche Preise, unvollständige Artikelbeschreibungen, fehlende Zusatzinformationen oder Erklär-Videos, wenn es sich um kompliziert zu bedienende Artikel handelt. Es klingt zwar abgedroschen, aber „Retail ist Detail“.
Bestandsthematiken wie „verfügbar erst wieder in drei Wochen“ können zwar vorkommen, der Artikel hat dann aber folglich, nichts oder nur in einer untergeordneten Rolle, etwas im Shop zu suchen. Alle Optimierungen, so sinnvoll sie auch sein mögen, sind vergebens, wenn ein Artikel nicht verfügbar ist. Das betrifft auch Artikel die zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Schließlich gilt die Devise – Was ich nicht habe, kann ich nicht verkaufen.
Artikel-Matrix für das Category-Management
Ebenfalls gehören auch die Artikel näher betrachtet, die wir eben als „nicht Fisch, nicht Fleisch“ bezeichnet haben. Keine echten Renner, keine Penner, „nur“ (gesundes) Mittelmaß. Diese Produkte haben relativ wenig Visits, dafür aber eine hohe Conversionrate. Der Umsatz ist noch gering, die Chance jedoch relativ hoch, bedingt durch die gute Abverkaufsquote, diesen durch mehr Visits zu steigern. Deshalb nennen wir sie auch „Chancen“-Artikel.
Natürlich kann nicht jeder Artikel automatisch ein Renner werden. Dies würde eine 100% richtige Einkaufsquote voraussetzen. Trotz aller Analysen und Vorab-Tests, kann der Geschmack eines jeden Kunden, nicht immer getroffen werden.
Aber durch geschicktes Inbound Marketing, kann auch hier der Erfolg nachhaltig beeinflusst werden. Wie oft tauchen denn diese Artikel in Newslettern, extra Teasern, Kampagnen oder eigenen Kategorien mit Landingpages auf? Wahrscheinlich seltener als die Renner, was auch verständlich ist, nur umgekehrt würde sich jeder Mehraufwand gegenüber den späteren, noch hohen Lagerbeständen durchaus lohnen.
Diese Optimierungen gelten auch für Renner. Nichts spricht dagegen gute Artikel, noch besser zu machen.
Erfolgsfaktor interne Suche
Und mindestens genauso wichtig ist der Blick auf die „interne Suche“. Gibt es Begriffe, Artikel oder Themen, die häufig(er) gesucht werden, aber keine Treffer im Shop produzieren?
Spätestens wenn ich analysiere, dass eine Warengruppe immer wieder gesucht und nicht gefunden wird, sollte ich mir Gedanken machen, diese in mein Sortiment aufzunehmen. Selbst – und nun bitte keine Aufschreie – wenn ich meine gewohnte Marge an solchen Produkten nicht halten kann.
Es ist immer noch besser, Kunden überhaupt einen Artikel anzubieten oder gar verkaufen zu können, als ihn mit leeren Händen aus dem Shop zu treiben. Natürlich sollte kein Eisenwarenhändler Brautkleider anbieten. Selbstredend muss es auch zum Sortiment passen. Aber er sollte sich schon fragen, warum danach in seinem Shop gesucht wird.
Die Klickverhalten und die damit verbundene Analyse, ist wie das klassische Gespräch über den Verkaufstresen. „Haben wir leider nicht, Frau Müller – aber ich kann Ihnen den Artikel morgen beschaffen“. Und wenn zu Frau Müller auch noch Frau Meyer und Frau Schneider kommen, überlegt sich jeder Händler, diesen Artikel auch dauerhaft in sein Sortiment aufzunehmen.
All diese Tätigkeiten (und noch viele mehr) fallen unter den Begriff Category-Management oder auch Site-Merchandising und verlangen, dass sich der Händler wieder intensiver mit seinen Produkten beschäftigt. Die bloße Beschaffung von Artikeln und das Einstellen dieser Produkte in den Shop, reicht auf Dauer nicht aus.
Category-Management-Projekte, in der ganzen Hülle und Fülle, sind unsere Favoriten. Dort lässt sich nachhaltig, im Idealfall in Echtzeit, mehr Umsatz erwirtschaften. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei immer die enge Zusammenarbeit mit dem Einkauf. In letzter Konsequenz sitzen in der Abteilung nämlich die Artikelexperten. Das heißt die betreffenden Personen, wissen alles über den Artikel (Features etc.) und warum sie diesen beschafft haben.
Neue Aufgaben in diesem Bereich sind also jederzeit willkommen.